Der erste Monat als "ehrenwerter" Korridorpensionist hatte seine Tücken

Ich wusste schon seit Monaten, dass ich die erstbeste Gelegenheit nützen würde, um dem AMS zu entkommen. Bei meinem letzten Kontrolltermin - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Letzter Kontrolltermin beim AMS! - wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich kurz vor Antritt der Korridorpension noch einmal beim AMS telefonisch melden sollte, um mögliche finanzielle Nachteile zu vermeiden. Bei der Gelegenheit wurde mir auch gesagt, dass ich gleich viel Geld bekommen würde wie sonst, wobei nicht berücksichtigt wurde, dass ich neben der Notstandshilfe auch noch die bedarfsorientierte Mindestsicherung als ergänzende Transferleistung bezogen habe. Wenige Tage vor Antritt der "ehrenwerten" Korridorpension nahm ich mein Smartphone Marke Motorola DEFY zur Hand, wählte die Nummer des AMS und sagte brav meinen Spruch auf. Am anderen Ende tat man so als würde es bedauert werden, dass ich keinen Wert mehr auf die Betreuung durch das AMS legte und die Dame fragte besorgt nach, ob ich mir das auch gut überlegt hätte? O ja, den Schritt hatte ich mir mehr als gut überlegt und es müsste gehörig an meinem Verstand gezweifelt werden, wenn ich jetzt noch wankend geworden wäre.

Im Bescheid vom 29. November 2011 wurde mir von der MA 40 die Mindestsicherung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 zuerkannt. Mit 1. Juni 2012 würde ich die Korridorpension antreten, also stellte ich keinen Antrag mehr auf die Mindestsicherung, sondern bloß einen Antrag auf die Mietbeihilfe für Mindestpensionisten der MA 50 in der Höhe von Euro 104,40 pro Monat. Um diese Zeit zog mein zuständiges Sozialzentrum von der Schanzstraße in die Schlachthausgasse um und so sandte ich den Antrag in den dritten Bezirk und harrte der Dinge, die da kommen würden.

Für alle Personen, die sowohl Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe und zusätzlich die Mindestsicherung als ergänzende Transferleistung bziehen ist zu beachten, dass die Mindestsicherung im Voraus bezahlt wird, Bezüge vom AMS sowie die Pensionen aber im Nachhinein. So kam es, dass ich zwar mit Stichtag 1. Juni 2012 "ehrenwerter" Korridorpensionist war, die erste volle Pension aber erst am 1. Juli 2012 aufs Konto überwiesen bekam.

Der Pensionsbescheid der PVA ist übrigens der einzige Bescheid, der im Nachhinein zugestellt wird, gewöhnlich in der ersten Woche nach Antritt der Pension.

Mit 4. Juni 2012 war der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt datiert, wo mein Anspruch auf die Korridorpension ab 1. Juni 2012 anerkannt worden war. Beigelegt waren eine Belehrung über das Klagerecht, Informationen über die Anweisung der Korridorpension auf mein Pensionskonto, verschiedene Meldehinweise, eine Übersicht über die Pensionsberechnung sowie die Broschüre der PVA "Information für Bezieher/innen einer Alterspension, vorzeitigen Alterspension, Korridorpension und Schwerarbeiterpension" mit Ergänzungen.

Ich war angenehm überrascht über die Höhe meiner Korridorpension, auch wenn ich nunmehr keine Gebührenbefreiung mehr für Radio und Fernsehen in Anspruch nehmen kann und auch keinen Kulturpass mehr beantragen darf. Was die Rezeptgebührenbefreiung betrifft, so bin ich lebenslang davon befreit, weil ich eine ansteckende Krankheit habe, nämlich Hepatitis C mit Leberzirrhose im Anfangsstadium.

Gegen Mitte Juni geriet ich doch in leichte Panik, weil ich befürchtete, dass ich im ersten Monat meiner Pension lediglich mit dem Geld des AMS auskommen musste und das waren ganze Euro 551,49. Ende Juni bekam ich einen Bescheid der MA40, der mit 26. Juni 2012 datiert war. Zwar wurde mein Antrag vom 24. April 2012 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs für den Zeitrum vom 1. Juli 2012 bis 30. September 2012 abgewiesen. Dafür wurde mir eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 30. Juni 2012 in der Höhe von Euro 221,77 sowie ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs hinausgehender Bedarf eine Mietbeihilfe für den gleichen Zeitraum in der Höhe von Euro 169,34 zuerkannt.

Nun sah die Welt schon wieder sehr viel freundlicher aus und ich konnte mir endlich eine Anschaffung leisten, die sich bisher nie ausgegangen war. Am 28. Juni 2012 kaufte ich mir ein dreiteiliges Regal für meine Sammlung von Audio-CDs um Euro 209,70. Die drei bisherigen Regale änderten ihre Bestimmung, eines enthält jetzt einen Teil meiner Bücher, das zweite die DVD-Sammlung und das dritte steht im Vorzimmer und dient nunmehr als Kleiderablage. Mit einem Schlag hat sich das Zimmer so vorteilhaft verändert, dass (fast) nichts mehr unnötig herumkugelt.

Zum ersten Mal seit urlanger Zeit konnte ich mir spontan etwas kaufen, das ich ganz einfach haben wollte. Ohne einen Antrag stellen zu müssen, ohne bitten & betteln zu müssen, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen. Es ist so etwas wie eine Rückeroberung von Normalität wie es in meinen besseren Zeiten üblich war als ich noch eine gut bezahlte Arbeit hatte.

Dreiundzwanzig endlos lange Jahre lang hat es gedauert bis ich nach meinem Absturz, bedingt durch die ungerechtfertigt ausgesprochene fristlose Entlassung meines damaligen Arbeitgebers, endlich wieder ein Leben als vollwertiger Mensch und ehrenwerter Pensionist führen kann. Hatte ich zu Beginn besonders die Abwesenheit von Druck, Sanktionsdrohungen und Sinnloskursen des AMS als wahre Wohltaten empfunden, so ist es jetzt die Erfahrung, dass ich mir jederzeit etwas kaufen kann, wenn ich es will oder wenn Dinge erneuert werden müssen, wenn es also notwendig ist. Das natürlich mit Einschränkungen, denn ich rede hier nicht von Luxus, eher von bescheidenem Wohlstand und was ich so unter einem "guten Leben" verstehe.

Anfang August bekam ich einen Brief der MA40, in dem ich daran erinnert werde, einen Antrag auf Zuerkennung der Mindestsicherung zu stellen. Beigefügt waren sämtliche Formulare und Informationen, die dazu notwendig sind, um einen Antrag auf Mindestsicherung bzw. einen Folgeantrag stellen zu können. Das ist doch eine beachtliche Verbesserung gegenüber den vorherigen Zuständen in der Sozialhilfe, wo Betroffene nur zu oft mit ihren Problemen alleine gelassen worden waren. Fehlt noch, dass sich beim AMS ähnliches tut, immerhin kann ich mich noch an Zeiten erinnern, wo ich als Kunde des AMS per Postkarte daran erinnert wurde, wenn ich einen Kontrolltermin verpasst habe. Erst wenn der Ersatztermin ebenfalls nicht wahrgenommen wurde, kam es zu einer Sperre des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe bis zu dem Zeitpunkt einer Neuanmeldung. Oder wäre das nicht doch ein wenig merkwürdig angesichts kommender Verschärfungen bei den Invaliditätspensionen für Unter-50-Jährige?
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